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Archiv-Artikel

Warten auf knallige Zukunft

Nach dem peinlichen 0:2 gegen den VfL Bochum hat man bei Schalke 04 die laufende Spielzeit fast schon abgehakt. Die Fans hoffen auf bessere Zeiten mit den versprochenen Neuzugängen

auf Schalke HOLGER PAULER

Jupp Heynckes blieb nach der Pressekonferenz allein, ganz für sich. Niemand wollte mit ihm reden. Keine Fragen mehr, der Abschied des Schalker Trainers vollzog sich abseits des Geschehens. Die Journalistenschar tummelte sich um Bochums Trainer Peter Neururer, der mit seinem VfL soeben 2:0 gewonnen und die Schalker endgültig ins graumäusige Mittelmaß befördert hatte. Auch das hatte kaum einer mitbekommen. Die Mehrzahl der zahlenden Kunden – von Fans konnte man am Sonntag kaum reden – hatte die Arena lange vor dem Abpfiff verlassen. Der tapfere Rest musste die Schmähgesänge der punktemäßig enteilten Nachbarn ertragen: „Absteiger“-Rufe schallten den königsblauen Spielern und Fans entgegen. Gegenwehr gab es keine mehr. „Das tut richtig weh. Wir sind bitter bestraft worden“, kommentierte Manager Rudi Assauer die Pleite.

Natürlich war die Mannschaft optisch überlegen, Zwingendes kam jedoch nicht zustande. Die Erklärungsversuche wirkten hinterher eher hilflos. „Wir haben das Spiel zwar ganz klar dominiert, aber im Fußball zählen nun einmal die Tore“, sagte Jupp Heynckes verklärend. Die großen Chancen hatten die Schalker nach dem Rückstand. Die beste setzte Victor Agali aus drei Metern über das Tor, die zweitbeste verweigerte der Nigerianer, in dem er im Strafraum das Bein des Bochumers Frank Fahrenhorst suchte, aber nicht fand. Wenige Minuten und einige unglückliche Aktionen später wurde Agali unter einer Mischung aus schrillen Pfiffen und höhnischem Applaus ausgewechselt. Die Unmutsbekundungen waren lauter als alle Anfeuerungsruhe zuvor und danach. Der Stürmer hat „Auf Schalke“ wohl keine Zukunft mehr. Das Team in der Form auch nicht.

Der Schalker Herbst des Jahres 2003 ist trist, grau und noch lange nicht beendet. Die überzogenen, gewachsenen Ansprüche an eine Mannschaft, die vor der Saison mit einigen jungen Spielern allenfalls ergänzt wurde, werden zum Bumerang. Führungsspieler wie Ebbe Sand oder Kapitän Tomasz Waldoch, die körperlich nicht oder nicht mehr auf der Höhe sind, werden ihren Aufgaben nicht gerecht. Hoffnungsvolle spielerische Ansätze vor allem junger Spieler wie Hamit Altintop oder Levan Kobiaschwili gehen angesichts eines fehlenden Mannschaftsgefüges immer mehr unter.

Der von Rudi Assauer propagierte personelle Umbruch verläuft holpriger als erwartet. Der FC Schalke wirkt wie die SPD der Hartz-Reformen. Obwohl alle von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugt sind, wächst der Unmut. Die Anhänger reagieren mit Liebesentzug. Da hilft momentan nur der sehnsüchtige Blick Richtung Sommer. Dann, wenn mit den Bremern Ailton und Krstajic – und glaubt man den Gerüchten, mindestens noch zwei, drei weiteren „Knallern“ (Rudi Assauer) – endlich wieder Qualität und damit die Grundlagen für die mittlerweile als natürlich angesehenen internationalen Ambitionen, ins Schalker Spiel zurückkehren sollen.

Trainer Jupp Heynckes steht dabei nicht zur Disposition. Noch nicht. Seine Aufgabe besteht darin, die Mannschaft irgendwie unbeschadet durch die laufende Saison zu manövrieren. Der Spielplan verheißt nichts Gutes: Nächste Woche geht es zum Tabellennachbarn Hamburger SV, dann kommen die Bayern, danach geht es nach Leverkusen. Wenn am Ende ein Platz im gesicherten Mittelfeld rausspringt, hat Heynckes seine Mission vorerst erfüllt.

Das weitaus schwierigere Werk kommt auf Manager Rudi Assauer zu. Er muss das Umfeld einigermaßen ruhig stellen. Mit den Verpflichtungen von Ailton und Krstajic war ihm das für zwei Wochen gelungen. Nun warten die Fans auf neue Namen, um sich ganz und gar dem auf die Zukunft gerichteten „Prinzip Hoffnung“ hinzugeben. Von der gegenwärtigen Mannschaft haben sie sich insgeheim schon verabschiedet. Sollte aber eines der beiden Unterfangen scheitern, wird es in Zukunft nicht nur in den Pressekonferenzen ruhig werden.